Nachhaltiges Finanzwesen und langfristige Anlagen

Ein neues Narrativ für nachhaltige Finanzpraktiken

Der (erneute) Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen, die Aufrüstungspläne Europas, die den Green Deal schwächen, und die Vereinten Nationen mit ihrem Haushaltsdefizit von USD 5,1 Mrd. Stellen die internationale Nachkriegsordnung auf die Probe. Wenn dem Wettbewerb mehr Bedeutung beigemessen wird als der Zusammenarbeit, werden langfristige Strategien durch kurzfristige Prioritäten abgelöst. Dies gilt für Staaten ebenso wie für private Akteure.

Trotz dieser Herausforderungen stellt das aktuelle globale Umfeld einen Schlüsselmoment für nachhaltige  Finanzpraktiken dar. Beim nachhaltigen Investieren geht es im Grunde genommen immer um das Investieren in die Zukunft mit dem Ziel, für mehr Resilienz und grössere Planungssicherheit in der Gesellschaft und den Märkten zu sorgen. Um das gesamte Potenzial von nachhaltigen Investments auszuschöpfen, ist es wichtig, sich von einem moralisierenden und elitären Narrativ zu distanzieren. 

Es ist höchste Zeit für ein Narrativ, das dem Ausmass der vor uns liegenden Herausforderungen und Chancen gerecht wird.

Nachhaltiges Anlegen wird in der Finanzwelt in den vergangenen Jahren oft auf die Formel „Doing well by doing good“ gebracht (sinngemäss: wirtschaftlicher Erfolg durch gute Taten). Allerdings hat diese vereinfachte Darstellung nicht nur Greenwashing-Vorwürfe entstehen lassen, sondern auch die elementare Bedeutung staatlicher Massnahmen und staatlicher Unterstützung heruntergespielt. Zudem wurde so die Vorstellung genährt, dass privates Kapital allein den Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft herbeiführen kann (wobei an der Wichtigkeit privaten Kapitals hier kein Zweifel besteht). Jetzt ist es an der Zeit, dieses Narrativ in die richtige Richtung zu lenken und klarer zu formulieren. 

Langfristig investieren

Wir brauchen ein verbindendes, auf wissenschaftlichen Daten abgestütztes Narrativ, das die Rolle jedes einzelnen Akteurs bei diesem Wandel deutlich macht. Anleger müssen ihre gemeinsamen Ziele im Blick haben: das Erwirtschaften von Renditen auf der Grundlage von zukunftsgerichteten Entwicklungen statt in der Vergangenheit erzielten Resultaten. Um das gesamte Potenzial nachhaltiger Anlagen auszuschöpfen, ist es wichtig, einen langfristigen Anlageansatz zu verfolgen. Nachhaltigkeit ist keine Anlageklasse, sondern eine Art des Investierens, die sich bei der Kapitalallokation auf datenbasierte Entscheidungen abstützt.

Marie-Laure Schaufelberger, Chief Sustainability Officer.

Um dies zu untermauern, muss sich die Finanzwelt dazu bekennen, mit Nachhaltigkeitsthemen, die für den Sektor relevant sind, transparent umzugehen, auch wenn dies unbequem ist. So gilt es zu vermeiden, dass betriebsbedingte Treibhausgasemissionen lang und breit erläutert, die wesentlich wichtigeren Emissionen, die mit Investitionen in Portfoliounternehmen und -anlagen verbunden sind, dagegen kaum oder gar nicht erwähnt werden.

Die Rolle der Anleger

Entscheidend ist, dass wesentliche Informationen identifiziert und offengelegt werden, denn hier liegen die langfristigen Risiken und Chancen. Als Aktionäre sind Anleger auch dafür verantwortlich, den Verwaltungsrat der Unternehmen zu wählen, in die sie investieren. Dort müssen wesentliche – also für die Rentabilität des Unternehmens besonders relevante – Umwelt- und Sozialfragen angesprochen werden. Geschieht dies nicht, haben wir die Pflicht zu handeln.

Um die Mobilität von morgen neu zu gestalten, haben öffentliche und private Akteure gleichermassen grösstes Interesse daran, zu kooperieren und gemeinsam Möglichkeiten zu finden, die allen zugutekommen.

Im Übrigen muss diese alternative Darstellung zum Ausdruck bringen, dass die Wende zu einer nachhaltigen Wirtschaft bereits im Gange ist und sich auf verschiedene Aspekte unseres täglichen Lebens auswirkt. Beim Abfassen dieser Zeilen wurde in Genf der Grenzwert der WHO für die Feinstaubkonzentration (PM 2,5) fast um das Dreifache überschritten. Für gefährdete evölkerungsgruppen wie Kleinkinder und ältere Menschen ist eine solche Luftqualität schädlich. Mit der Stick’AIR-Plakette des Kantons Genf wurden daher im August strengere Massnahmen für einen differenzierten Verkehr eingeführt, die viele Autopendler erheblich beeinträchtigt haben.

Um die Mobilität von morgen – um nur dieses Beispiel zu nennen – neu zu gestalten, haben öffentliche und private Akteure gleichermassen grösstes Interesse daran, zu kooperieren und gemeinsam Möglichkeiten zu finden, die allen zugutekommen. Für die Realisierung dieser Pläne braucht es Anleger, die verstehen, welche Chancen dies langfristig bietet. Es ist höchste Zeit für ein Narrativ, das dem Ausmass der vor uns liegenden Herausforderungen und Chancen gerecht wird.

Über die Autorin
Marie-Laure Schaufelberger ist Chief Sustainability Officer und verantwortet die Nachhaltigkeitsstrategie der Pictet-Gruppe. Sie kam 2007 zu Pictet und sammelte dort erste Erfahrungen im Team für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, wo sie auch für Initiativen im Bereich Corporate Social Responsibility verantwortlich war. 2014 wechselte sie als Produktspezialistin in das Thematic-Equities-Team von Pictet Asset Management und beriet in dieser Funktion Kunden zu verschiedenen Themenstrategien mit Umwelt- und Sozialbezug. Marie-Laure Schaufelberger hat einen Master in International Relations des Graduate Institute of International and Development Studies in Genf und ist CFA-Charter-Inhaberin.
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