Unternehmerische Kompetenz ist auch in der Philanthropie gefragt
Vom Unternehmer zum Wohltäter
„Hilfsorganisationen sind Unternehmen. Wenn man das Leuten ohne Geschäftssinn überlässt, wird der Erfolg ausbleiben.“ Gordon Morrison ist bestens qualifiziert, um zu beiden Aspekten – dem betriebswirtschaftlichen und dem karitativen – Stellung zu beziehen. Gemeinsam mit seinem Bruder baute er die vom Vater gegründete Baufirma Morrison zu einem der branchengrössten Unternehmen im Vereinigten Königreich auf. Im Jahr 2000 verkauften die Brüder den Betrieb für 262 Millionen Pfund Sterling an ein Versorgungsunternehmen. Seither hat der geradlinig, sympathisch und bescheiden auftretende Morrison ein breites Betätigungsfeld für sich geschaffen, in dem er seinen Geschäftssinn einbringen kann. Dazu zählt er auch sein Engagement für wohltätige Zwecke – nur dass die Erfolgsrechnung in dem Bereich etwas anders gelagert ist.
Sein Ausstieg aus dem Familienunternehmen ist besonders bemerkenswert, weil er nicht geplant war. Die Brüder hatten nie beabsichtigt, den Betrieb nach dem Verkauf zu verlassen: Für Gordon war eine Führungsposition im Vorstand vorgesehen, sein Bruder Sir Fraser sollte den Vorsitz übernehmen.
„In der Geschäftswelt lernt man nie aus“, meint Morrison rückblickend. „Auf die landesweite Expansion unseres Unternehmens in den 1990er-Jahren mit immer grösseren Projekten folgte 1995 der Börsengang, doch unsere Bilanzsumme war einfach zu gering, um auf diesem Weg ausreichend Kapital zu beschaffen. Wir suchten gerade nach einer Lösung, um die Bilanz zu vergrössern, als ein Wasserversorgungsunternehmen an uns herantrat. Sie wollten, dass wir die kommerzielle Verwertung ihres Wassergeschäfts übernehmen. Und wir waren an ihrer Finanzkraft interessiert, um noch grössere Projekte umsetzen zu können. Doch nach der Übernahme kam es ganz anders“, erzählt Morrison. Die Geschäftsleitung des Versorgungsunternehmens „entschied sich gegen mich und mein Team in ihrem Unternehmen. Das kommt bei Übernahmen oft vor. Also trennten wir uns.“
Mit diesen (gemeinsam bewirtschafteten) Flächen in Hertfordshire nimmt Morrison am „Countryside Stewardship Scheme“ des britischen Umweltministeriums teil. Zu den Zielsetzungen dieses Programms gehört neben dem Schutz und der Verbesserung der Umwelt auch die Produktion hochwertiger Nahrungsmittel.
Unternehmerische Kompetenz für Hilfsorganisationen
Morrison hatte nun eine Menge Geld zur Verfügung und erstmals in seinem Berufsleben – unfreiwillig – keine Arbeit mehr. Für viele mag das eine traumhafte Vorstellung sein, für den Workaholic Morrison war es jedoch eher ein Alptraum. „Das war ein ziemlicher Schock für mein System: Bis dahin lief mein Gehirn auf Hochtouren, ich dachte fast rund um die Uhr an die nächste Herausforderung und deren Lösung. Und dann war ich von einem Moment auf den anderen gar nicht mehr eingebunden.“
Das war der Beginn seiner Portfoliokarriere. Zunächst wurde er von einem Freund gefragt, ob er Treuhänder einer Hilfsorganisation für krebskranke Kinder, Sargent, werden wolle.
„Bei meiner ersten Vorstandssitzung wurde mir etwas klar, das sich seitdem immer wieder bestätigt: In Hilfsorganisationen mangelt es am Geschäftssinn. Vom Vorstand wurde ein Haushalt abgesegnet, der aus meiner Sicht hohe Verluste nach sich ziehen würde – also stimmte ich dagegen.“ Auch danach hielt Morrison mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg. Der damalige Vorsitzende räumte das Feld und Morrison übernahm die Leitung. Rasch erkannte er, dass nur grössere Hilfsorganisationen staatliche Unterstützung erhielten, und so fusionierte er Sargent mit einer anderen Charity in dem Bereich und startete eine Werbe- und Marketingkampagne. „Der Bekanntheitsgrad unserer Namen stieg fast über Nacht von 5 Prozent auf 45 Prozent.“
Hilfsorganisationen fusionieren ist wie Unternehmen fusionieren, doch die Währung ist Emotion, nicht Geld.
Hilfsorganisationen fusionieren ist wie Unternehmen fusionieren, meint er, „doch die Währung ist Emotion, nicht Geld.“ Er blieb noch ein weiteres Jahr bei dem gemeinnützigen Unternehmen, das heute einen Jahresumsatz von etwa 30 Millionen Pfund Sterling hat.
Vier Jahre vor seinem ungeplanten Ausstieg aus dem Familienunternehmen begann Morrison, in Ackerland zu investieren. „Ich bin kein Landwirt, ich bin landwirtschaftlicher Investor.“ Er hatte festgestellt, dass landwirtschaftliche Flächen oft ineffizient bewirtschaftet werden: „Landwirte sind oft Einzelkämpfer.“
Er erwarb Grund und Boden in Hertfordshire, nördlich von London, und gründete mit drei Landwirten ein Joint Venture, „um die ganze Fläche auf einmal bewirtschaften zu können“. Heute gehören ihm rund 1000 Hektar von insgesamt knapp 1620 Hektar, die gemeinsam bewirtschaftet werden, „damit wir Skaleneffekte nutzen können. Unser Ansatz war ziemlich innovativ.“
„Wir teilen uns den Mähdrescher, die Traktoren und die Arbeitskräfte und können so 25 Prozent der Kosten einsparen.“ Ein Teil der Fläche wird inzwischen für den Weinbau genutzt. Vor Kurzem konnte gemeinsam die erste Flasche Wein aus eigenem Anbau verkostet werden.
Der Unternehmer Gordon Morrison setzt sich mit grossem Engagement für Kinder ein und unterstützt Hilfsorganisationen bei der Maximierung ihrer Spendeneinnahmen.
Philanthropie und mehr
Auf einigen seiner anderen Grundstücke liess Morrison Wohnhäuser und Lagerhallen errichten, die Verwaltung übergab er Chaldean, einem Management-Unternehmen, das ihm gehört. Chaldean beschäftigt rund 15 Mitarbeiter – ein Kontrast zu den Tausenden Mitarbeitern bei Morrison nach dem Börsengang.
In etwa der Hälfte seiner Arbeitszeit engagiert sich Morrison nach wie vor für karitative Zwecke, insbesondere für die Behandlung krebskranker Kinder in aller Welt als Vorsitzender der internationalen Hilfsorganisation World Child Cancer. Darüber hinaus gründete er eine Charity, die sich in seiner Heimatgrafschaft Hertfordshire für weniger privilegierte Menschen einsetzt, und er ist Vorsitzender des Mayfair Neighbourhood Forum in London, wo er sich für obdachlose Menschen engagiert – ein Bereich, in dem die Stadtverwaltung seiner Meinung mehr tun sollte.
Wer die Möglichkeit hat, etwas zu tun, der sollte es tun. Natürlich könnte ich vier Tage pro Woche Golf spielen und über die Anzahl meiner Schläge beim 16. Loch reden, doch das erscheint mir nicht sonderlich produktiv. Das motiviert mich einfach nicht so sehr, wie anderen zu helfen.
Morrison ist inzwischen über siebzig Jahre alt. Was hält ihn so aktiv? „Wer die Möglichkeit hat, etwas zu tun, der sollte es tun. Natürlich könnte ich vier Tage pro Woche Golf spielen und über die Anzahl meiner Schläge beim 16. Loch reden, doch das erscheint mir nicht sonderlich produktiv. Das motiviert mich einfach nicht so sehr, wie anderen zu helfen.”
Wird er je in den Ruhestand treten und seine Zeit nicht mehr zwischen der Charity-Arbeit und seinen Geschäften aufteilen? „Nein“, stellt er klar. „Ich werde arbeiten, bis ich tot umfalle.“
Gordon Morrison - Biografie
Eintritt in das von seinem Vater gegründete Bauunternehmen Morrison zusammen mit seinem Bruder Sir Fraser
Börsengang der Firma Morrison
Gründung seines eigenen Management-Unternehmens, Chaldean
Verkauf des Familienunternehmens an einen Versorgungsbetrieb für 262 Millionen Pfund Sterling, nachdem die Brüder die Firma zu einem der grössten Bauunternehmen des Landes aufgebaut hatten
Massgebliche Rolle bei der Fusion von Sargent Cancer Care for Children und CLIC (Cancer and Leukaemia in Childhood), aus der CLIC Sargent hervorging (Jahresumsatz heute: rund 30 Millionen Pfund Sterling)
Ernennung zum Vorsitzenden
von World Child Cancer, einer Hilfsorganisation für krebskranke Kinder
Auszeichnung mit der British Empire Medal im Rahmen der Queen’s Birthday Honours für seine Arbeit bei World Child Cancer
Verleihung eines Ehrendoktorats der University of Hertfordshire
Ernennung zum Vorsitzenden des Mayfair Neighbourhood Forum
Gründung der Hilfsorganisation Helping Herts in seiner Heimatgrafschaft Hertfordshire