Herausforderungen des Vermögenstransfers von einer Generation auf die nächste

Ein Vermächtnis schaffen und die Familie stärken

Jede Unternehmerfamilie ist einzigartig und geht ihren eigenen Weg, wenn es um darum geht, ihr Vermögen, ihre Werte und ihr Erbe an die nächste Generation weiterzugeben. Im Gespräch mit Honora Ducatillon und Christoph Courth von Pictet gehen wir der Frage nach, wie man ein Vermächtnis schafft und den generationenübergreifenden Vermögenstransfer erfolgreich meistert.

Herausforderungen des Vermögenstransfers von einer Generation auf die nächste

Früher oder später steht jede Unternehmerfamilie vor der Frage, wie das Vermögen und Vermächtnis der Familie an die nächste Generation weitergegeben werden soll. Wählt man den richtigen Weg – transparent, klar und überlegt –, lässt sich viel Positives erreichen, von der natürlichen Weiterentwicklung eines Familienunternehmens bis hin zur langfristigen Stärkung des Familienzusammenhalts.

Doch fast immer gilt es auf diesem Weg, Hürden zu bewältigen. „Es ist keine leichte Aufgabe, Vermögen zu übertragen, ohne Kollateralschaden zu verursachen, indem zum Beispiel Unfriede in der Familie gestiftet oder die Finanzstruktur unnötig verkompliziert wird“, meint Honora Ducatillon. Als Head of Family Advisory bei Pictet Wealth Management arbeitet sie mit vermögenden Familien und deren weltweitem Beraternetzwerk zusammen, um gemeinsam den richtigen Weg für die Vermögensübertragung zu finden. In dieser Position erlebt sie die verschiedenen Herausforderungen aus nächster Nähe mit und sieht, welche Strategien Familien anwenden, um diese zu bewältigen.

Entscheidungen wirken unter Umständen über Generationen fort und sollten daher nicht leichtfertig oder vorschnell getroffen werden
— Honora Ducatillon

Eine der größten Hürden besteht zweifelsohne darin, dass Familienoberhäupter in der Regel stark eingespannt sind. Oft stehen sie noch an der Spitze eines großen Unternehmens und haben gleich mehrere Rollen inne. Dabei rückt das Thema Nachlassplanung gerne in den Hintergrund. Gleichzeitig ist es aber auch eine monumentale Aufgabe. „Entscheidungen wirken unter Umständen über Generationen fort und sollten daher nicht leichtfertig oder vorschnell getroffen werden“, so Honora Ducatillon. Zudem ist die Nachfolgeplanung mit sehr sensiblen Themen „wie der eigenen Sterblichkeit, Identität und Gerechtigkeit“ verwoben. Darüber spricht niemand wirklich gerne. „Angesichts dieser Herausforderungen wundert es nicht, dass dieses Thema oft auf die lange Bank geschoben wird.“

Werte werden nicht gelehrt, sondern erfahren und erlernt. Man kann niemanden zur Philanthropie zwingen, aber man kann mit gutem Beispiel vorangehen
— Christophe Courth

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Emotionen im Spiel sind. Nicht selten hat es Honora Ducatillon mit Eltern zu tun, die ihre Kinder stärker einbinden, gleichzeitig aber auch beschützen möchten. Und dann sind da noch die Familienmitglieder der nächsten Generation, die sich nach Autonomie sehnen, sich aber weiter auf die finanzielle Unterstützung und Führung durch ihre Eltern verlassen. „Es wimmelt nur von Paradoxa“, erklärt Honora Ducatillon. Verschärft wird das Ganze häufig durch die Koexistenz konträrer Systeme mit völlig verschiedenen Mustern: der Familie einerseits und dem Unternehmen andererseits. „Diese Systeme sind eng miteinander verflochten und Spannungen somit vorprogrammiert“, so Honora Ducatillon.

Philanthropie als Strategie zur Wahrung des Familienzusammenhalts

Viele vermögende Familien haben außerdem das Problem, dass nicht allen klar ist, was auf dem Spiel steht. „Manche denken, dass es in erster Linie um die Übertragung von Finanzvermögen und Vermögenswerten geht“, so Honora Ducatillon. „Mit ihren Entscheidungen zu Testamenten, Schenkungen und Erbschaften vermitteln Familien mitunter auch die Werte und ein Verständnis der Identität der Familie.“ Sie hat die Erfahrung gemacht, dass diese impliziten Botschaften eine Familie sogarstärker prägen können als der Inhalt rechtlicher Dokumente.

Die Erfahrung, dass Vermögen ein mächtiges Kommunikationswerkzeug sein kann, hat auch Christoph Courth gemacht. Als Global Head of Philanthropy Services bei Pictet berät er Familien in philanthropischen Fragen. „Für viele vermögende Familien ist Philanthropie nicht nur Ausdruck von Altruismus“, meint er. „Auch für die Familie selbst ist es ein wichtiges Instrument, um die Identität und das Vermächtnis zu stärken.“ So schlägt er seinen Kunden oft zunächst vor, einen Brief an ihre Nachkommen zu verfassen, damit die nachfolgenden Generationen „ein Gefühl für die Person bekommen, die das Vermögen geschaffen hat, aber auch für deren Werte und die mit dem Vermögen verbundene Verantwortung“. Dieser Brief muss nicht unbedingt tatsächlich ausgehändigt werden. Vielmehr soll so das Warum der philanthropischen Arbeit sichtbar gemacht werden, also die Werte, die dahinter stehen.

Philanthropie ist ein wirkungsvolles Mittel, um Gutes zu tun. Philanthropie kann aber auch ganz wesentlich dazu beitragen, den Familienzusammenhalt zu stärken. Eine Familie, mit der Christoph Courth zusammenarbeitet, hat sich zum Beispiel dazu entschlossen, ihr Unternehmen der vierten Generation zu verkaufen. „Das Unternehmen war Dreh- und Angelpunkt der Familie. Die Sorge nach dem Verkauf war daher, dass das verbindende Element der Familie verloren gehen könnte“, erzählt er. „Daraufhin entschloss sich die Familie zur Gründung einer Familienstiftung, die jetzt zum gemeinsamen Fundament der Familie geworden ist.“ Natürlich geht es auch ohne den Verkauf des Unternehmens. Wie Christoph Courth betont, schafft eine Stiftung abseits des Kerngeschäfts oder des Familienvermögens unterschiedliche Rollen und Opportunitäten für Familienmitglieder, die sich einbringen möchten. „Zudem kann die nächste Generation durch die Mitarbeit in der Stiftung lernen und auf künftige Aufgaben in der Familie vorbereitet werden“, ergänzt er.

Gute Vorbereitung ist entscheidend

Bei der Übertragung von Vermögen ist das Potenzial für Spannungen und womöglich echten Zwist groß. Nach Ansicht von Honora Ducatillon ist es für Familien daher essenziell, sich umfassend vorzubereiten, nicht nur durch Klärung steuerlicher und rechtlicher Fragen, sondern auch mit Blick auf die Familiendynamik. Hier ist Zusammenarbeit gefragt. Alle Parteien müssen an einen Tisch gebracht werden, damit jeder gehört wird. Außerdem, so Honora Ducatillon, ist es wichtig zu verstehen, dass jede Planung immer auch mit Unsicherheit behaftet ist. „Man weiß nie, was die Zukunft bringt, und muss somit Entscheidungen auf der Grundlage unvollständiger Informationen treffen“, sagt sie. Da unmöglich vorhergesagt werden kann, wer später zur Familie gehören wird und wie sich Beziehungen verändern, tun Familien gut daran, ihre Planung nicht an einzelnen Personen festzumachen, sondern sich eher von einem Ziel, besonderen Werten und Kriterien leiten zu lassen. „Es müssen also flexible Mechanismen geschaffen werden“, so Honora Ducatillon.

Indem Dialog gefördert wird, lässt sich das gegenseitige Verständnis verbessern.
— Honora Dacatillon

Am wichtigsten ist allerdings, frühzeitig mit der Planung zu beginnen. „Die Übergabe kann leicht fünf bis sieben Jahre dauern. Es ist also wichtig, früh zu beginnen, solange alle noch bei guter Gesundheit sind“, empfiehlt Honora Ducatillon. „Wenn man das Thema zu lange hinauszögert, drohen katastrophale Folgen für die Familiendynamik.“

Christoph Courth hat ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass gute Vorbereitung und Planung in der Philanthropie entscheidend sind. „Eine der häufigsten Fragen, die ich höre, ist wohl: Wie kann ich meine Kinder einbinden?“, meint er. „In meinen Augen ist es nie zu früh. Man ist nie zu jung, um zu lernen, was Empathie bedeutet, was im Leben zählt und wie man ein guter Mensch sein kann.“

Doch es ist nicht immer leicht, jungen Erwachsenen das Thema Philanthropie nahezubringen. „Wer im Wohlstand aufwächst, hat oft keine Berührungspunkte zu Armut, Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit“, fügt Christoph Courth hinzu. „Viele leben in einer Art Blase und sehen nicht, woran es anderen fehlt.“ Freiwilligenarbeit ist nach Ansicht von Courth eine Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen. Es gibt auch zahlreiche Unternehmen, die private Erfahrungsreisen für Familien anbieten, um die Neugier von Kindern und jungen Erwachsenen zu wecken und das Problembewusstsein zu schärfen. „Werte werden nicht gelehrt, sondern erfahren und erlernt“, meint Christoph Courth. „Man kann niemanden zur Philanthropie zwingen, aber man kann mit gutem Beispiel vorangehen.“ Er vertritt die These, dass die verschiedenen Generationen nicht nur im Familienunternehmen unterschiedlich agieren, sondern auch im philanthropischen Bereich.

Je nach Generation unterscheiden sich die philanthropischen Ziele

Studien haben gezeigt, dass junge Menschen im Alter von 18 bis 25 den Themen Klima, Umwelt und Biodiversität hohe Priorität in ihrem philanthropischen Engagement einräumen, gefolgt von Ungleichheit und Konflikten. In der Generation ihrer Eltern sind es hingegen Gesundheit, Bildung, Kunst und Kultur. Somit überrascht es auch nicht, dass jüngere Familienmitglieder mitunter das Gefühl haben, sichnicht mit der Stiftung der Familie und deren Zielen identifizieren zu können.

In einem solchen Szenario ist es nach Einschätzung von Courth wichtig, „der jungen Generation Freiraum und Verantwortung für eigene philanthropische Projekte zu geben“. Einige Familien sehen in ihrer Stiftung einen bestimmten Kapitalbetrag vor, mit dem die nächste Generation eigene Interessen verfolgen kann. Andere richten für ihre Kinder oder Enkelkinder Donor-Advised Funds ein, also eine Art eigene kleine Stiftung für die Herzensangelegenheiten dieser Generation.

Die jüngere Generation von Vermögenden bevorzugt häufig auch einen pragmatischeren und ganzheitlichen Ansatz. „Beim philanthropischen Kapital geht es hier möglicherweise weniger darum, Schecks auszustellen“, so Christoph Courth. Stattdessen richtet sich das Interesse auf verantwortliches Anlegen und Impact Investing. „Die jüngere Generation spürt, dass viel mehr Ressourcen mobilisiert werden müssen, um wirklich etwas zu bewegen“, erklärt er und verweist darauf, dass diese Generation zum Beispiel eher dazu neigt, den Impact des gesamten Vermögens zu betrachten anstatt nur darauf zu schauen, wie sich einzelne Investments auswirken. Genau darum ist Christoph Courth auch überzeugt, dass wir „an der Schwelle eines Goldenen Zeitalters der Philanthropie stehen“, in dem diese neue Generation den Ton angibt.

Kommunikation spielt eine wichtige Rolle bei der Übertragung des Familienvermögens

Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass jede Generation anders ist und dass Reibungen unvermeidbar sind. „Konflikte sollten nicht per se als schlecht abgetan werden; sie gehören zu jeder Veränderung dazu“, meint Honora Ducatillon. In ihren Augen können Konflikte sogar gesund sein: „Spannungen wirken mitunter kreativ und können der Funkesein, der neue Ideen entfacht.“

Man ist nie zu jung, um zu lernen, was Empathie bedeutet, was im Leben zählt und wie man ein guter Mensch sein kann.
— Christoph Courth

Für sie ist allerdings ein kontrollierter Rahmen entscheidend, um die Spannungen zu lösen. Sie empfiehlt zum Beispiel, auf externe Coaches und Mentoren zurückzugreifen. Externe Berater sind wertvoll, da sie die Situation objektiv beurteilen und so besser unterstützen können. „Wir denken oft, dass nur die jüngere Generation Hilfe braucht, aber tatsächlich müssen oft beide Seiten an sich arbeiten“, so Honora Ducatillon. Für sie ist entscheidend, dass man offen ist und Neues ausprobiert, denn jede Familie ist anders und braucht ihre ganz eigenen Governance-Ansätze und Entscheidungsprozesse. „Die Familie muss spüren, dass es in Ordnung ist, nicht sofort die perfekte Lösung zu haben“, erklärt Honora Ducatillon. „Durch Ausprobieren, Testen verschiedener Modelle und ständiges Justieren gilt es herauszufinden, was am besten zu den Zielen und der Kultur der Familie passt.“

Ein weiteres Instrument, auf das Honora Ducatillon gerne zurückgreift, ist der moderierte Diskurs. Hierbei geht es auch darum, „einen geschützten Raum zu schaffen, in dem sich jeder frei äußern kann“. „Kombiniert man dieses Instrument mit anderen Methoden, kann erreicht werden, dass mehr Empathie zwischen den einzelnen Generationen entsteht“, ergänzt sie. „Indem Dialog gefördert wird, lässt sich das gegenseitige Verständnis verbessern und herausfinden, welche Gemeinsamkeiten bestehen.“ Und genau diese Gemeinsamkeiten sind es, die für einen erfolgreichen Vermögenstransfer entscheidend sind.

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