„Im Teilhabergremium entscheiden wir niemals durch Abstimmung“
Elif Aktuğ ist eine der neuen Führungspersönlichkeiten der Pictet-Gruppe. Die ehemalige Goldman-Sachs-Mitarbeiterin und Absolventin der Sciences Po und der Stanford University wechselte 2011 zur Genfer Bank und spielt hier als Leiterin des für die Bank strategisch wichtigen Bereichs für alternative Anlagen eine zentrale Rolle. 2021 trat sie im Alter von 47 Jahren dem Gremium der sieben geschäftsführenden Teilhaber des 1805 gegründeten Bankhauses bei – als erste Frau in der Geschichte des Unternehmens. In ihrem ersten Interview mit einem Westschweizer Medium, Agefi Finance, erklärt Elif Aktuğ, wie dieses aussergewöhnliche Organ funktioniert. Dabei spricht sie auch über die Pläne Pictets, künftig die Verwahrung kryptobasierter Vermögenswerte anzubieten.
Von Frédéric Lelièvre und Olivier Wurlod, Agefi Finance
Können Sie uns kurz schildern, wie Ihre Karriere bis zu Ihrem Einstieg bei Pictet verlaufen ist? Und was Sie schliesslich 2011 zu einem Wechsel zur Pictet-Gruppe bewogen hat?
Ich habe meine ganze berufliche Karriere in zwei Unternehmen verbracht. Vor meinem Wechsel zu Pictet war ich bei Goldman Sachs in London tätig, zuerst in der Investmentbank (Mergers & Aquisitions), später dann im Eigenhandel.
Mein Mann und ich hatten den Plan, irgendwann aus London wegzuziehen und uns in Genf niederzulassen. Nachdem wir uns 2005 dazu entschieden hatten, haben wir diesen Plan in den darauffolgenden sechs Jahren nach und nach umgesetzt. Mein Mann ist schon vor mir nach Genf gezogen, und wir haben dort ein Haus erworben, das uns als Hauptwohnsitz dient.
Wegen meiner beruflichen Verpflichtungen konnte ich Goldman Sachs nicht so schnell verlassen. Schliesslich waren es die Finanzkrise von 2009 und das Verbot des Eigenhandels – Stichwort Volcker-Rule –, die den Prozess beschleunigt haben. Ich habe mich für Pictet entschieden, weil ich hier denselben Geist vorgefunden habe wie bei Goldman Sachs damals, als ich 1997 dort anfing. Ich mochte diese Kultur, sie war mir vertraut. Ich bin bei Pictet Asset Management eingestiegen und habe dort einen Hedgefonds aufgelegt und verwaltet.
Ihr Wechsel im Jahr 2011 fand mitten in der Krise statt, als das Bankgeheimnis gerade gefallen war... Haben Sie angesichts dieser Umstände an Ihrer Entscheidung gezweifelt?
Meine Entscheidung war wohlüberlegt und über eine gewisse Zeit gereift. Mein Mann und ich wussten genau, was uns erwartet, als wir uns hier niederliessen. Ich bin heute mehr denn je davon überzeugt, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin. Im aktuellen globalen Umfeld ist es ein grosser Vorteil, an der Spitze eines Unternehmens zu stehen, das unabhängig von Aktionärsinteressen agieren kann und eine ausgezeichnete Solidität aufweist.
Doch noch wertvoller scheint mir die geistige Unabhängigkeit zu sein, die Pictet so hochhält. Sie erlaubt es den Mitarbeitenden, ihre Anlageüberzeugungen frei zu äussern, und ohne politischen Druck, wie in manch anderen Ländern, die besten Anlagechancen auszuwählen. In der Schweiz haben wir alle Freiheit, unsere fundierten Überzeugungen gegenüber unseren Kunden und Beratern zu vertreten.
Fünfzehn Jahre später leidet der Finanzplatz immer noch unter bestimmten Folgen der Krise von 2008/2009, namentlich dem Verschwinden einer seiner beiden Hauptakteure...
Ich kann die heutige Situation mit der vor 15 Jahren nicht wirklich vergleichen, denn mein Universum beschränkte sich damals auf mein Bloomberg-Terminal. Ich bin überzeugt, dass der Schweizer Finanzplatz weiterhin eine wichtige Rolle spielt.
Unsere Kundinnen und Kunden suchen eine umfassende Beratung und nicht nur Anlagechancen in den USA. Auch wenn die USA für mehr als 70% des MSCI World Index stehen und eine dominante Rolle in globalen Portfolios spielen, liegt unsere grosse Stärke darin, unsere Kunden auch bei Investitionen in der Schweiz, in Europa und in Asien zu begleiten.
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