Interview mit Marc Pictet in Finanz und Wirtschaft

„Nicht alle CS-Kunden passen zu Pictet“

Marc Pictet, der designierte Senior-Partner der Traditionsbank sagt, welche Verschiebungen im Wealth Management die CS-Übernahme durch UBS auslöst und warum die Signa-Pleite sein Institut nicht treffen kann.

Schon 22 Jahre ist Marc Pictet der traditionellen Pictet-Gruppe treu, ab Mitte 2024 steht er ganz oben an ihrer Spitze. Im Interview mit „Finanz und Wir tschaft“ (publiziert am 23.12.2023) ordnet er das turbulente Jahr in der Schweizer Bankenwelt ein. Als Noch-Chef der Sparte Wealth Management erlebt er die derzeitigen Verschiebungen in der Vermögensverwaltungslandschaft hautnah. Dennoch sagt er: „Für uns gilt: Business as usual.“

Herr Pictet, im Oktober sind Sie an die Spitze des Pictet-Partnergremiums berufen worden. Freuen Sie sich auf Ihre neue Rolle?

Der Wechsel ist erst in sechs Monaten, aber ja, ich freue mich. Bei Pictet durchläuft man als Partner üblicherweise verschiedene Stationen. Heute bin ich zusammen mit meinem Cousin François Pictet zuständig für das Wealth Management. Vorher war ich in Asset Services, Operations, IT und anderen Bereichen tätig. Die neue Rolle als Senior Partner ist in diesem Sinne eine logische Entwicklung.

Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger Renaud de Planta?

Pictet steht unter anderem für Kontinuität. Das gilt sowohl in der Partnerschaft als auch in unserer Strategie. Aber es wird sicher einige neue Ideen geben, die wir im Team entwickeln, nur so bleibt das Unternehmen gesund.

Sprechen wir über Credit Suisse: Der Untergang der Bank hat die Finanzwelt rund um den Globus geschockt. Wie beurteilen Sie die Situation heute?

Die Integration von CS in UBS scheint gut zu laufen. Das ist bemerkenswert, wenn man die Grössenordnung dieser Übernahme in Betracht zieht. Darüber können wir alle froh sein. Die Resonanz im Ausland und bei den Kunden über die Entwicklung ist positiv.

Wie wichtig ist es für den Finanzplatz Schweiz, dass UBS Erfolg hat?

Dass UBS Erfolg hat, ist enorm wichtig für das ganze Land, nicht nur für den Finanzplatz. Unsere Wirtschaft braucht eine Grossbank, und die Menschen brauchen diese Arbeitsplätze.

Einerseits soll UBS erfolgreich sein, andererseits ist sie ein Konkurrent für Pictet. Sind Sie in einer zwiespältigen Position?

Wir sind etwas anders als manche Wettbewerber. Wir verwalten rund 640 Mrd. Fr., die Hälfte davon im Asset Management für institutionelle Kunden, einen weiteren Teil im Bereich Asset Services und alternative Anlagen. UBS ist in diesem Zusammenhang ein bedeutender Kunde für uns. Auch für CS sind wir momentan noch ein Fondsanbieter. Wir haben also ein grosses Interesse, dass alles gut läuft.

Aber im Wealth Management ist UBS doch Konkurrent?

UBS ist in der Vermögensverwaltung in verschiedenen Segmenten unterwegs. Wir befassen uns ausschliesslich mit den sehr vermögenden Privatkunden. Auch in diesem Segment hat es Platz für mehrere Banken.

Nach dem Wegfall von CS werden die Karten im Wealth Management neu gemischt. Was gibt es für Pictet zu holen?

Es stimmt, wir anderen Vermögensverwalter haben alle mehr oder weniger Kunden durch das CS-Aus gewonnen. Doch wir sollten nicht kurzfristig an die Umverteilung in der Schweiz denken. Wir müssen den Kuchen für die Schweiz und für alle Banken insgesamt grösser machen. Als Finanzplatz gilt es, attraktiv zu bleiben und langfristig Kundenvermögen aus dem Ausland anziehen zu können.

Die CS-Gelder interessieren Sie gar nicht?

So ist es nicht, aber nicht alle CS-Kunden passen zu Pictet.

Weil sie Ihnen zu riskant sind?

Weil wir nicht für alle ein passendes Angebot haben. Wir sind weder Broker noch im Investment Banking tätig. Wir stehen für Vermögensverwaltung im oberen Segment und bieten diskretionäre Anlagemandate auf allen Anlageklassen an. Alle CS-Kunden, die sich für ein solches Angebot interessieren, sind bei uns willkommen.

Bemühen Sie sich aktiv um neue Kunden?

Wir haben keine konkrete Offensive auf die CS-Kundschaft gestartet. Ich weiss, einige Wettbewerber zielen ganz konkret auf CS und UBS ab. Das machen wir nicht.

Nach Ihren jüngsten ausgewiesenen Zahlen sind Ihnen im ersten Halbjahr doch beträchtliche 15 Mrd. Fr. an Nettoneugeld zugeflossen. Auch dank dem CS-Effekt?

Die Neugelder in diesem Jahr sind uns aus allen Ecken zugeflossen. Teilweise auch von CS. Wir schauen das jeweils Markt für Markt an. Wir hatten zum Beispiel ein sehr gutes Jahr in Deutschland und Italien. In anderen Märkten war es herausfordernder.

Privatbanken streben beim Nettoneugeld gemeinhin um 5% Wachstum an. Das haut bei Ihnen gerade hin.

Ja, das Ergebnis war in diesem Sinne im Rahmen der Erwartungen.

Wir haben keine Offensive auf die CS-Kundschaft gestartet, andere schon.

Viele US-Banken bauen ihre Präsenz in der Schweiz stark aus. Lombard Odier, Julius Bär, LGT und EFG heuern ebenfalls kräftig an. Pictet ist da bis jetzt nicht so aufgefallen.

Für uns gilt: Business as usual. Wir haben dieses Jahr etwa dreissig Banker angestellt. Das ist normal für uns. Wir suchen uns Kandidaten, die gut zu unserer Kultur passen; woher sie kommen, ist eigentlich egal. Das ist ein ganz anderer Ansatz als bei der Konkurrenz. Der kulturelle Fit eines Kundenbetreuers ist für uns die Hauptsache.

Man hört ständig, UBS bezahle Unsummen, um die besten Berater zu halten. Macht das die Preise in der Branche zunichte?

Ich höre das nicht, aber wenn, dann wäre das keine nachhaltige Strategie. Nicht alle Berater sind am kurzfristig maximal möglichen Verdienst interessiert. Wichtig sind auch die Perspektiven.

Müssen Sie neuen Beratern nun auch einen höheren Lohn zahlen?

Unsere neuen Mitarbeiter haben oft eine andere Motivation. Sie interessiert unsere spezielle Unternehmenskultur, ebenso die vielleicht etwas anderen Vorgaben als sonst innerhalb des Private Banking. Wir messen Erfolg über die Jahre.

Private Banking galt bisher als sicheres Geschäft. Jetzt haben die rund 600 Mio. Fr. Kredit von Julius Bär an die mittlerweile insolvente Signa uns eines Besseren belehrt. Hätte Julius Bär umsichtiger handeln müssen?

Das kommentiere ich nicht. Wir machen keine Aussagen zu Wettbewerbern.

Ein solch hohes Exposure im Bereich Alternative Assets ist doch aber viel zu gross für einen Vermögensverwalter.

Private Banking wird sehr unterschiedlich betrieben. Es gibt sicher einige Unternehmen, die in der Hoffnung auf ein späteres Vermögensverwaltungsmandat gleich zu Beginn einer Geschäftsbeziehung mit Krediten zu günstigen Konditionen locken. Bei uns ist das genau umgekehrt.

Wie bieten Sie Kredit an?

Kredit ist kein Hauptprodukt in unserer Palette. Üblicherweise bieten wir nur bestehenden Kunden einen Kredit als Nebenofferte an. In diesem Fall aber auch nur einen Lombardkredit mit recht konservativen Belehnungsgrenzen.

Ist René Benko auch bei Ihnen vorstellig geworden?

Zu Einzelfällen kann ich keine Auskunft geben, aber Kunden, die hohe Belehnung wollen, gehen zu einem anderen Anbieter.

Das, was Julius Bär geschehen ist, könnte Pictet also nicht passieren?

Wie gesagt, unser Business-Modell ist anders. Wir wollen krisenfest sein und in einem kontrollierten Tempo wachsen.Wir spielen nicht mit unserer Bilanz. Solidität hat für uns Priorität. Wir sind eines deram besten kapitalisierten Finanzinstitute weltweit. Das bewährt sich in Zeiten der Unsicherheit. So haben wir schon zahlreiche Krisen gemeistert.

Die Finma wusste über das Klumpenrisiko von Julius Bär bei Signa Bescheid. Auch den Fall von CS hat sie nicht verhindern können. Braucht sie mehr Macht?

Die Finma hat eine komplexe und wichtige Aufgabe. Um ihren Auftrag effektiv zu erfüllen, braucht eine Aufsichtsbehörde immer auch genug qualifizierte Mitarbeiter und Sanktionsmöglichkeiten. Gut möglich, dass es daran zurzeit etwas mangelt. Die Politik müsste der Finma die Mittel dazu geben.

Foto: Iris C. Ritter / Finanz und Wirtschaft

Wir haben sehr früh mit dem US-Justizministerium kooperiert, das hat geholfen.

Anfang Dezember hat Pictet bekannt gegeben, den Steuerstreit mit den USA beigelegt zu haben. Eine grosse Erleichterung?

Auf jeden Fall sind wir froh, den Fall hinter uns zu haben. Wir mussten fünfzehn Jahre mit der Unsicherheit umgehen, was schlussendlich auf uns zukommt. Es ist auch eine gute Nachricht für den Finanzplatz Schweiz. Jetzt können wir alle nach vorne schauen.

Ist das Kapitel nun definitiv abgeschlossen?

Wir haben ein Deferred Prosecution Agreement, das heisst, wir stehen drei Jahre unter Beobachtung. Das ist Standard für alle Banken der Kategorie eins.

Warum hat es so lange gedauert, zu dieser Vereinbarung zu kommen?

Darauf haben wir keine Antwort. Es gibt ja auch keine Priorität nach Höhe der Busse oder Ordnung nach Gruppe eins oder zwei der Banken. Wenn man sich die Settlements insgesamt anschaut, dann lässt sich das nicht erschliessen.

Pictet muss nun knapp 123 Mio. $ an die USA bezahlen. Ein guter Deal?

Ich will nicht sagen, dass das ein guter Deal ist. Doch alles in allem war dieses Ergebnis zu erwarten. Im Vergleich zu einigen anderen Schweizer Banken ist es wohl einebessere Vereinbarung. Wir haben sehr früh reagiert und kooperiert, das hat in den Verhandlungen mit dem US-Justizministerium geholfen.

Seit damals hat sich Vermögensverwaltung ja fundamental verändert. Wie ging das bei Pictet vonstatten?

Wir haben uns frühzeitig angepasst. Beispielsweise haben wir bereits 2007 Pictet North America Advisors, PNAA, gegründet und gingen damit 2008 an den Markt. PNAA ist eine von unserer Bank segregierte Einheit, die von der SEC reguliert ist. Sie arbeitet in voller Übereinstimmung mit dem amerikanischen Gesetz. Jeder US-Kunde musste sich damals entscheiden, die Bank zu verlassen oder in diese Einheit zu gehen. Nach einer ersten Phase der Transition betreuen wir nun schon lange amerikanische Kunden nur aus dieser Einheit heraus. Auch haben wir über die Jahre unser Legal, Risk & Compliance Team aufgestockt.

Auch die Kundschaft verändert sich. Der zukünftige Kundenstamm wird vermehrt aus Frauen bestehen. Wie wollen Sie sie gezielter erreichen?

Wir haben uns intensiv mit unseren Kundinnen und Kunden ausgetauscht und sind zum Schluss gekommen, dass, wenn es um Investments geht, die Bedürfnisse ziemlich gleich sind. Unser Angebot ist für beide Geschlechter gleich. Wir organisieren jedoch regelmässig Netzwerkanlässe für unsere Kundinnen. Denn wenn es um Familiendynamik, Vermögensübertrag auf die nächste Generation oder eine Nachfolgeregelung für ein Unternehmen geht, denken Frauen und Männer oft anders.

Kunden, die hohe Belehnung bei Krediten wollen, gehen zu einem anderen Anbieter.

Ticken Anleger noch gleich wie vor drei Jahren?

Wir erleben gerade die Renaissance von Anleihen. Dieser Motor war zehn Jahre stillgelegt. Wir mussten deshalb vielmehr mit Aktien und alternativen Investitionen arbeiten. Und das bedeutet immer auch mehr Volatilität im Portfolio. Jetzt haben wir viele neue Möglichkeiten und können ein ausgewogeneres Portfolio für mindestens die gleiche Rendite bieten. Wir befassen uns stark mit dem Wandel von liquiden Assets hin zu Anlagen mit einer längeren Duration. Anleihen sind sicherlich eines der Hauptthemen für uns im nächsten Jahr. Dabei geht es viel mehr in Richtung Investment Grade und Schwellenländer. Anleihen in lokaler Währung in Asien zum Beispiel finden wir hoch attraktiv für nächstes Jahr.

Auch in China?

Einige Anleger stellen in der Tat die Frage: «Ist China derzeit investible?» Vor Covid hat niemand daran gezweifelt. Aber heute sind einige nicht mehr so sicher. Wir sind optimistisch. Wir denken, die chinesische Regierung wird alles daransetzen, ihr Wachstumsziel von 5% zu erreichen. Die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China sind zwar nicht vorbei. Aber es gibt wieder einen Dialog und den Willen zusammenzuarbeiten. Ich hoffe, es setzt sich das Verständnis durch, dass die Globalisierung sehr viel mehr Vorteile als Nachteile hat.

Konsolidierung bietet Chancen, wir sind nicht mehr nur die Genfer Privatbank.

Welche anderen Trends sehen Sie?

Distressed Debt bietet derzeit auch gute Möglichkeiten und wird mindestens für die nächsten zwei bis drei Jahre interessant bleiben. Die hohen Zinsen bilden einen enormen Druck auf die Bilanzen der Unternehmen, die sich zu aggressiv verschuldet haben und deswegen jetzt in Schwierigkeiten stecken. Wir suchen nach Schuldtiteln, die mit einem grösseren Abschlag gehandelt werden, als angesichts des Potenzials für einen Turnaround gerechtfertigt ist. Aufgrund ihrer Regulierung und Risikotragfähigkeit sind gewisse Banken weniger aktiv im reditgeschäft, daher ist im Bereich Privatmarktanlagen Private Credit auch interessant.

Wo stehen Sie in Sachen digitale Assets?

Unsere Kunden brauchen uns nicht, um Bitcoin und andere Währungen zu kaufen. Dafür sind andere Plattformen besser geeignet. Uns interessiert vielmehr die Blockchain. Diese Technologie wird das Banking in den nächsten fünf bis zehn Jahren sehr verändern.

Wer macht mehr für die Nachhaltigkeit: Pictet oder Ihr Konkurrent Lombard Odier?

Das sollten andere bewerten, nicht ich. Je mehr Wettbewerb es unter den Anbietern gibt, desto besser. Wir müssen uns alle beteiligen, um eine nachhaltigere Wirtschaft zu schaffen. Die Finanzinstitute müssen bei Lösungen zur Klimakrise eine Rolle spielen. Wir haben Kapital und Ideen, um die Transition möglich zu machen.

Die Gefahr von Greenwashing ist gross.

Greenwashing muss erkannt und verhindert werden. Anleger sollen sehen können, was sie mit ihrem Geld bewegen. Es liegt an uns Anbietern, so transparent wie möglich zu sein. Dabei helfen verbindliche Regeln. Strafen gegen Greenwashing sind richtig. Aber man sollte aufpassen, dass es nicht die Akteure trifft, die sich ernsthaft bemühen. Dies ist ein relativ neues Feld, und wir müssen alle miteinander lernen. Das gilt auch für Regulatoren.

Gemäss jüngsten Branchenstudien hat das Segment des gehobenen Mittelstandes grosses Wachstumspotenzial. Sind Affluent-Kunden bei Ihnen auch willkommen?

Im Asset Management selbstverständlich. Wir wissen um die Attraktivität einiger unserer Fonds gerade im thematischen Bereich sowie bei Privatanlagen. Im Wealth Management bedingt unser Investmentfokus eine gewisse Höhe an investiertem Kapital. Deswegen fokussieren wir uns auf Kunden mit einem grossen Vermögen.

Wie viel Vermögen braucht man, um Pictet-Kunde zu werden? Dem Vernehmen nach sind es mindestens 2 Mio. Fr.

Einen konkreten Mindestbetrag haben wir nicht. Wir sind stattdessen an «guten» Kunden interessiert. Wir wollen unternehmerische Kunden, die sich mit unserer Philosophie identifizieren können und verstehen, wie wir für sie arbeiten.

In der Schweiz wie auch in anderen Ländern ist das Affluent-Segment eine sehr grosse Gruppe. Und immer mehr Vermögensverwaltungs- gesellschaften passen ihre Angebote für diese Kundschaft an. Verschläft Pictet da nicht einen Trend?

Es ist in der Tat ein hoch interessantes Segment. Die Bedürfnisse dieser Kundschaft lassen sich mit standardisierten digitalen Lösungen oder hybriden Instrumenten gut abdecken. Das kann einen zusätzlichen Ertrag bringen. Zu unserer Strategie und unserem massgeschneiderten Ansatz passt es jedoch nicht.

Die Vermögensverwaltungsbranche konsolidiert sich weltweit weiter, um Grössenvorteile zu erzielen. Wie erleben Sie den steigenden Wettbewerbsdruck?

Konsolidierung bietet Chancen. Wir haben uns im Laufe der Jahre immer organisch vergrössert, wenn es anderswo Konsolidierung gab. Wir sind heute nicht mehr nur die Genfer Privatbank. So ist Zürich mittlerweile unser zweites Zuhause und ein wirklich wichtiger Standort für die Pictet-Gruppe geworden.

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