Klimakapital: eine Bestandsaufnahme
Die Lücke schliessen: Investitionen für Netto-Null
Beim dringend notwendigen Übergang zu einer grünen Weltwirtschaft sind auf den ersten Blick solide Fortschritte zu verzeichnen: Im Jahr 2023 wurden mit der Rekordsumme von USD 2 Billionen doppelt so hohe Kapitalinvestitionen in saubere Energieformen getätigt wie in fossile Brennstoffe, und die Zahl der börsennotierten Unternehmen mit Netto-Null-Zielen hat sich seit 2020 fast verdreifacht.
Bei näherer Betrachtung fallen die Fortschritte jedoch deutlich ernüchternder aus.
Denn von den Anlegern und Konzernen werden weder die Zusagen für die Finanzierung der Netto-Null-Ziele noch jene für eine entsprechende Ausrichtung des Geschäftsbetriebs eingelöst, wie aus einer neuer Studie von Pictet Asset Management und dem Institute of International Finance (IIF) hervorgeht.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Bis 2050 muss das Verhältnis von Investitionen in kohlenstoffarme Energieträger zu Investitionen in fossile Brennstoffe von 2:1 auf etwa 7:1 steigen, damit Net Zero erreicht werden kann. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts ist demnach eine Erhöhung der Klimainvestitionen um USD 8 Billionen pro Jahr notwendig.
- In allen wichtigen Bereichen bestehen erhebliche Finanzierungslücken (siehe Abbildung 1). Ohne Zuwächse bei den grünen Investitionen wird die Finanzierungslücke allein in der Energiewirtschaft bis 2030 etwa USD 2,5 Billionen pro Jahr ausmachen.
Abbildung 1 – Investitionslücke am Weg zur Netto-Null
Jährliche Finanzierungslücke bis 2030, nach Sektoren, in Billionen USD.
Quelle: Climate Policy Initiative, IIF. Prognosezeitraum 31.12.2023–31.12.2030.
- In den Bereichen Verkehr, Bauwesen, Schwerindustrie und Landwirtschaft wird jeweils USD 1 Billion weniger zur Verfügung stehen als für Net Zero benötigt wird.
- Noch akuter ist das Finanzierungsproblem in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Unseren Schätzungen zufolge muss Indien bis zu zehnmal mehr in saubere Energieformen als in fossile Brennstoffe investieren, um die Ziele zu erreichen; in China und Brasilien muss das Verhältnis auf 7:1 bzw. 5:1 erhöht werden.
- Weniger offensichtlich, jedoch nicht minder schwerwiegend ist das Versäumnis von Grosskonzernen, ihre Netto-Null-Zusagen entschlossen umzusetzen. Zwar steigt die Zahl der Unternehmen, die ehrgeizige Ziele verfolgen, doch mehr als die Hälfte der börsennotierten Unternehmen weltweit setzt den Geschäftsbetrieb unverändert fort. Der dadurch verursachte implizite Temperaturanstieg (ITR)1 liegt über dem Schwellenwert von 2°C.
- Besonders ausgeprägt ist die Diskrepanz in Ländern mit einem hohen Anteil börsennotierter Unternehmen in CO2-intensiven Branchen, etwa Südafrika, Kanada, Indien und Brasilien (siehe Abbildung 2). Je länger die erforderlichen Änderungen aufgeschoben werden, desto grösser ist das Risiko kostspieliger Fehler, insbesondere für Unternehmen, deren finanzielle Lage schon jetzt angespannt ist.
Abbildung 2 – Aufholbedarf der Unternehmen bei der Umsetzung der Netto-Null-Ziele
Beitrag börsennotierter Unternehmen* zur Erderwärmung, nach Land, ausgedrückt als impliziter durchschnittlicher Temperaturanstieg durch Unternehmensaktivitäten.
Quelle: IIF, Bloomberg, MSCI. *Ohne Finanzunternehmen und chinesische Unternehmen. Stand: 31.12.2023.
Dieser Beitrag enthält eine Zusammenfassung eines Kapitels aus dem Bericht „Climate Crunch: A Closer Look at the Transition Risks of Net Zero“.