Die Macht der Chips

Die Macht der Chips

Klein, aber enorm leistungsfähig – Halbleiter erobern die Welt. Professor Chris Miller, Autor des Sachbuchs „Chip War“, erklärt, wie sie funktionieren und welchen Einfluss sie haben, von unserem Alltag bis hin zur Geopolitik.

Schauen Sie sich den Nagel an Ihrem kleinen Finger an und stellen Sie sich vor, er wäre von Milliarden winzig kleiner Kreise bedeckt. Stellen Sie sich dann vor, jeder dieser Kreise – die sogenannten Transistoren – würden sich blitzschnell in einem fort öffnen und schliessen. Diese technologische Meisterleistung vollbringt das Herzstück Ihres Smartphones, Ihres Computers, Ihres Autos – und auch der nationalen Sicherheitssysteme Ihres Landes. Willkommen in der Welt der Halbleiter.

„Das gesamte digitale Computing, die gesamte Software, die gesamte Datenspeicherung sind einfach nur Milliarden und Abermilliarden von Einsen und Nullen, die von diesen winzigen Chips erzeugt werden“, erklärte Professor Chris Miller, Historiker an der Tufts University und Autor des gefeierten Sachbuchs „Chip War“, vor kurzem in einem Found In Conversation Podcast. „Und jeder dieser Transistoren in Ihrem Smartphone ist kleiner als das Coronavirus. Sie werden in Nanometern gemessen, das sind Milliardstel Meter.“

Der erste Chip überhaupt hatte vier dieser Transistoren, erklärt Milller. Auf einem iPhone der neuen Generation dagegen „hat allein der Hauptchip 15 Milliarden Transistoren. Von vier auf 15 Milliarden, das ist ein überwältigender technologischer Fortschritt, den es in keinem anderen Bereich der Wirtschaft gab.“

Ein Grossteil dieses Fortschritts ist auf effiziente globale Lieferketten und die Zusammenarbeit zwischen grossen Unternehmen in verschiedenen Teilen der Welt zurückzuführen. All das könnte jetzt durch geopolitische Spannungen in Gefahr geraten, da die Regierungen zunehmend versuchen, im eigenen Land zu produzieren.

Etwas derart Fortschrittliches herzustellen, ist jedoch extrem komplex – und teuer. Jede Phase des Prozesses erfordert hochmoderne Tools, wobei es häufig nur ein oder zwei Unternehmen auf der Welt gibt, die diese in höchster Qualität entwickeln.

Nehmen wir die Lithografie, bei der riesige Maschinen ultraviolettes Licht auf Silizium lenken, um die mikroskopischen Transistorkreise herauszuarbeiten. Die modernsten Lithografie-Maschinen wiegen über 200 Tonnen und können bis zu 200–250 Mio. US-Dollar kosten. Die Eintrittsbarrieren sind also sehr hoch, und mehr als 90% dieses Marktes werden von dem niederländischen Unternehmen ASML beherrscht.

Eine ähnliche Konzentration zeigt sich in anderen Bereichen der Chip-Produktionskette.  Die Maschinen, mit denen ein dünner Film auf das Silizium aufgetragen wird, werden fast ausschliesslich von dem US-Unternehmen Applied Materials hergestellt. Und weil diese Tools und Maschinen an dem Ort installiert sein müssen, an dem die Chips produziert werden, kann die Chip-Herstellung nur in grossen, teuren Giessereien stattfinden, die sich nur Unternehmen mit Grössenvorteilen leisten können. Deshalb wird die Chipherstellung von einem Unternehmen dominiert: Taiwan Semiconductor Manufacturing Co Ltd (TSMC).

„Aktuell gibt es nur drei Firmen, die hochmoderne Prozessorchips herstellen können. An der Spitze steht TSMC, gefolgt von Samsung in Südkorea und dann Intel aus den USA, die rund zwei Generationen zurückliegen“, sagt Miller. „Das sind die einzigen drei Unternehmen, die so etwas schaffen. Es gibt keine neuen Marktteilnehmer in diesem Geschäft und es besteht auch keine Gefahr, dass dies passieren wird.“

Er schätzt, dass ein einziges neues Werk knapp 20 Mrd. US-Dollar kostet. Da sich die Technologie ständig weiterentwickelt, könnten selbst die fortschrittlichsten Chips vielleicht nur drei Jahre produziert werden, dann sind schon die nächsten Innovationen am Start.

Geopolitische Hindernisse

Da Halbleiter aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind und auch von Regierungen – zum Beispiel für die Zwecke der inneren Sicherheit – verwendet werden, wirft die Dominanz bestimmter Unternehmen und Länder bei deren Herstellung Probleme auf. Regierungen wollen sich weder von anderen Ländern abhängig machen noch wollen sie Lieferkettenproblemen ausgesetzt sein (wie während der Covid-Pandemie, als der Chipmangel die Automobilindustrie fast zum Stillstand brachte).

„Weil Chips vor allem für die KI wichtig sind, konzentrieren sich Regierungen darauf, sich den Zugang zu den fortschrittlichsten Chips zu sichern und Mitbewerber aus dem Rennen zu werfen – teilweise aus kommerziellen Gründen, insbesondere aber aufgrund des Einflusses auf Militär und Geheimdienst“, sagt Miller. „Wenn man darüber nachdenkt, wie KI das Computing im privaten Bereich verändert, um wie viel drastischer werden erst die Auswirkungen auf Geheimdienste und das Militär sein. Nicht ohne Grund gab es in den letzten Jahren viel stärkere Eingriffe in die Chip-Lieferketten seitens der Politik.“

Die Regierungen vieler der weltgrössten Volkswirtschaften sind sich dieser Probleme bewusst geworden und haben Gelder bereitgestellt und Initiativen auf den Weg gebracht, um die Chipherstellung zu fördern. Das europäische Chip-Gesetz soll bis 2030 mehr als 43 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Investitionen in den Sektor mobilisieren, während die USA 52 Mrd. US-Dollar an Subventionen für die Halbleiterproduktion und -forschung zugesagt haben und China den Ausbau der inländischen Produktion zu einer zentralen Säule seiner Strategie „Made in China 2025“ gemacht hat.

In vielen Fällen gingen die zusätzlichen Investitionen jedoch mit feindlicheren Massnahmen einher. Die USA beschränken die Exporte fortschrittlicher Halbleiter nach China, und Peking hat eine Sicherheitsüberprüfung des US-Chipherstellers Micron Technologies eingeleitet. Geopolitische Spannungen sind daher ein grosses Thema. Aber alles in allem floriert die Branche, weil es sich um ein globales Geschäft handelt, das auf internationaler Zusammenarbeit basiert.

„Jedes Jahr kommt ein Drittel der neuen Rechenleistung aus Taiwan. Würde das wegfallen, dann gute Nacht, denn wie sollen dann Smartphones oder PCs, geschweige denn Autos oder Flugzeuge – oder Waschmaschinen – hergestellt werden, für die zwar keine hochkomplexen Chips benötigt werden, dafür aber riesige Mengen davon“, so Miller. „Das Unternehmen TSMC kann nur existieren, weil es Grundstoffe aus Japan, den USA und Europa bekommt. Ersatzteile für die Maschinen kommen aus dem Ausland und der Bedarf an Energie für den Betrieb der Maschinen ist immens.“

Miller geht davon aus, dass die Nachfrage nach Chips in den kommenden Jahren wachsen wird, vor allem in den Bereichen KI, Automobil und Rechenzentren. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden und innovativ zu bleiben, müssen Regierungen und Unternehmen zusammenarbeiten:

„Das ist ein Balanceakt – die Regierungen müssen die Grundlagenwissenschaft mit staatlichen Mitteln fördern ... und die Unternehmen müssen sie in grossem Massstab anwenden.“

Wenn Sie mehr von Experten zum Verständnis der modernen Welt erfahren möchten, hören Sie sich den Found in Conversation Podcast an.

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