Nachhilfe, die begeistert

Nachhilfe, die begeistert

In einem zunehmend umkämpften globalen Bildungsmarkt ist Nachhilfe unter Schülerinnen und Schülern inzwischen Standard. Doch nicht immer war diese für alle zugänglich oder bezahlbar. Felix Ohswald will das mit seinem Nachhilfe-Start-up ändern und allen Kindern die Chance bieten, ihr volles Potenzial zu entfalten.

Als Felix Ohswald 2015 im zarten Alter von 20 Jahren sein Master-Studium an der ETH Zürich absolvierte, hatte er bereits zwei Abschlüsse in Mathematik in der Tasche – den zweiten von der University of Cambridge. Von seinem Grossvater hat er die Begeisterung für IT und Wissenschaft geerbt und war daher sofort zur Stelle, als ihn sein jüngerer Bruder um Unterstützung bei den Hausaufgaben bat. Als daraufhin auch Klassenkameraden des Bruders mit Bitte um (Nach-)Hilfe auf ihn zukamen, entschied sich Felix Ohswald, auf einer Messaging-Plattform eine eigene Gruppe einzurichten, um Fragen zentral beantworten zu können.

Die Nachricht über den neuen Service verbreitete sich innerhalb weniger Wochen wie ein Lauffeuer und Hunderte Schülerinnen und Schüler bombardierten ihn mit Fragen. An diesem Punkt holte Felix Ohswald Gregor Müller mit ins Boot. Schnell stellten die beiden Jungunternehmer fest, dass sie eine Marktlücke entdeckt hatten. Gemeinsam mit einigen Business Angels arbeitete das Duo ein Konzept für einen Online-Dienst zur Beantwortung von Schülerfragen aus, doch schon bald wurde klar, dass noch viel grösseres Potenzial in einem IT-gestützten Nachhilfeangebot schlummert.

Aus dieser Idee entstand 2016 GoStudent. Das von Ohswald und Müller gegründete Start-up möchte bezahlbare Online-Einzelnachhilfe bieten. Inzwischen ist daraus eine „globale digitale Schule“ geworden, die mit den Möglichkeiten von KI für Bildungsangebote experimentiert, in 15 Ländern tätig ist und insgesamt mehr als 590 Millionen Euro an Investorenkapital eingesammelt hat.

Felix Ohswald, Mitgründer und CEO des EdTech-Start-ups GoStudent, das Schülerinnen und Schülern weltweit Zugang zu Online-Nachhilfe bieten möchte

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich der Bildungssektor zu einem hart umkämpften globalisierten Markt entwickelt. Im Kreise der OECD-Staaten verfügen in 14 Ländern rund 50 Prozent der 25- bis 34-Jährigen über einen Hochschulabschluss. Doch das allein reicht heute nicht mehr, um sicher einen guten Job zu finden. Der Leistungsdruck ist höher denn je, und Nachhilfe, die früher Gutbetuchten vorbehalten war, ist zum Standard geworden. In Deutschland bekommen 40 Prozent aller Schülerinnen und Schüler Nachhilfe, in Griechenland, wo das staatliche Schulsystem wenig Vertrauen geniesst, sind es sogar eher 90 Prozent. In Grossbritannien geben Eltern jedes Jahr 2 Milliarden Pfund für Nachhilfestunden ihrer Kinder aus.

Die Pandemie hat diesen Trend noch beschleunigt: Der Lernrückstand vieler Schüler ist enorm, während gleichzeitig die Akzeptanz virtueller Lernkonzepte gestiegen ist. Nach Ansicht von Ohswald befinden wir uns an einem Wendepunkt, und GoStudent möchte diese neue Dynamik nutzen, um den traditionellen Markt für Nachhilfe zu revolutionieren. „Heute kann hochwertige Bildung viel kostengünstiger angeboten werden als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren“, so der Jungunternehmer.

Der Schlüssel zum Erfolg von GoStudent liegt in der Technologie. Die Plattform bietet bezahlbare Nachhilfe, die in 50-minütigen Video-Calls in einem virtuellen Klassenraum mit digitalem Whiteboard abgehalten wird. Eltern (oder Schüler) können die Nachhilfestunden mithilfe eines Online-Kalenders flexibel buchen und Lernziele und -erfolge analysieren und kontrollieren. Die Nachhilfelehrer werden nach den Bedürfnissen des jeweiligen Schülers zugewiesen. Das spart Eltern die mühevolle Suche nach dem richtigen Tutor (der bei Bedarf schnell ersetzt werden kann). Geht man den traditionellen Weg, hängt alles von der Qualität der lokal verfügbaren Nachhilfelehrer ab. GoStudent hingegen bietet mit monatlich mehr als 1,5 Millionen gebuchten Nachhilfestunden Zugang zu einem Pool von 23 000 registrierten und auf Herz und Nieren geprüften Tutoren. Der Technologieaffinität von Felix Ohswald ist es auch zu verdanken, dass GoStudent den Einsatz von Emotionsanalyse-Tools testet. Dass Lehrer, die positive Emotionen zeigen, Schüler besser motivieren, liegt auf der Hand. Die dabei ermittelten quantitativen Daten nutzt GoStudent aber auch, um die Ausbildung der Lehrkräfte zu verbessern.

Ohswald sieht in KI und insbesondere in Sprachmodellen wie ChatGPT, die viele Branchen von Grund auf verändern werden, enormes Potenzial für den digitalen Bildungssektor. Schätzungen von GoStudent zufolge dürfte der KI-gestützte Bildungsmarkt in den kommenden Jahren rasant wachsen. Gelingt es GoStudent, dieses Potenzial für sich zu nutzen, ist eine deutliche Steigerung des Umsatzes – vielleicht um bis zu 40 Prozent – möglich. Greift man zum Beispiel für die Erstellung der Unterrichtspläne auf KI zurück, bleibt mehr Zeit für die Einzelstunden selbst. „GoStudent will im Rahmen seiner strategischen Vision KI in sein Geschäftsmodell integrieren, anstatt es als Bedrohung anzusehen“, erklärt Felix Ohswald.

GoStudent bietet Video-Einzelnachhilfe in einem virtuellen Klassenzimmer mit digitalem Whiteboard

Es ist keineswegs einfach, am Bildungsmarkt Geld zu verdienen. „Nur einige wenige Bildungsanbieter schreiben einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro“, so Felix Ohswald, „dann wird die Luft dünn.“ Bei Bildungsangeboten für Schulen muss man laut Ohswald lange Vertriebszyklen einplanen. Ausserdem muss die Lösung häufig stark an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden, was wiederum die Expansion in andere Länder erschwert. Und dann ist da noch das Problem, Lehrer und Administratoren zu finden. „Es erfordert viel Geschick, im Bildungsbereich ein Geschäftsmodell zu konzipieren, das ausreichend Umsatzpotenzial birgt und mit dem Unternehmen wachsen kann.“ Diese Erfahrung musste auch Felix Ohswald zu Beginn der Erfolgsgeschichte von GoStudent machen. 2019 hatte die Plattform mehr als 20 Märkte im Visier, musste sich aber aus einigen wieder zurückziehen, so auch den USA, da die standardisierte Prüfungsvorbereitung hier eine andere Form der Nachhilfe verlangt und meist von den Schulen selbst übernommen wird. „In einigen Ländern hätte es zu lange gedauert, das Modell auf den jeweiligen Markt zuzuschneiden. Hier werden wir zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Vorstoss wagen, sei es organisch oder durch Zukäufe“, erklärt Felix Ohswald.

GoStudent wird in erster Linie als digitale Plattform wahrgenommen, sieht die eigene Zukunft aber eher in einem hybriden Bildungsmodell. In Deutschland hat GoStudent den 1974 gegründeten Anbieter stationärer Nachhilfe Studienkreis übernommen, der in der DACH-Region mit mehr als tausend Zentren vertreten ist und Nachhilfe in Kleingruppen (1:4) zu erschwinglicheren Preisen anbietet. So erschliesst sich GoStudent eine noch grössere Kundenbasis und ebnet sich ausserdem den Weg hin zu einem Unternehmen, dessen Kunden überall zwischen digitalem und stationärem Nachhilfeunterricht wählen können. Ohswald hat also erkannt, wie wichtig Vertrauen beim Aufbau einer Marke am Bildungsmarkt ist und dass lokale Präsenz und persönliche Kontakte diesen Prozess beschleunigen können. „Die Zukunft liegt für mich ganz klar in hybriden Modellen“, meint Felix Ohswald. „Mischt man der analogen Welt digitale Elemente bei, kann noch mehr erreicht werden.“

Felix Ohswald

Mitgründer und CEO von GoStudent
2013

Abschluss des Studiums an der Universität Wien mit einem BA in Mathematik

2014

Abschluss des Studiums an der University of Cambridge mit einem BA (Hons)

2015

Einrichtung einer digitalen Gruppe, um Freunden seines Bruders bei den Hausaufgaben zu helfen, und gleichzeitig Master-Studium in Quantitative Finance an der ETH Zürich

2016

Gemeinsam mit seinem engen Freund Gregor Müller Gründung von GoStudent, das er als CEO führt

2022

Aufnahme in die „Forbes 30 Under 30“-Liste für europäische Technologieunternehmen; GoStudent wird mit EUR 3 Mrd. bewertet

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